Jazzig geprägte Gospel-Messe
Mit zwei Messen feierte am Freitag der Liederkranz Reudern mit der Nürtinger Bevölkerung die Eröffnung des Weihnachtsmarktes
VON HEINZ BÖHLER
NÜRTINGEN. In einem Benefiz-Konzert zugunsten der beiden Reuderner Kirchen intonierten der Gospel-Chor des Reuderner Liederkranzes und vier Gastmusiker unter der Leitung von Rainer Hiby die „Gospel-Mass“ von Robert Ray und die von Ariel Ramirez gesetzte „Misa Criolla“ in der Nürtinger Stadtkirche St. Laurentius.
Wo sonst ein markantes „Jauchzet, frohlocket“ als Aufforderung an das Christenvolk ergeht, schnalzte am Freitagabend eher ein rhythmisches Fingerschnippen durch die Nürtinger Stadtkirche, begleitet von den Akkorden des Nürtinger Gitarristen Felix Nimmrichter und seinen Kollegen Helmut Kipp am Schlagzeug, Bernd Reiter am Bass, Norbert Schuber an den Congas und nicht zuletzt den 27 Stimmen der Reuderner Sänger und Sängerinnen.
„Sehr jazzig“, hieß es zu Beginn der Veranstaltung, sei die „Gospel-Mass“ des amerikanischen Komponisten Robert Ray. Und tatsächlich: das rockte schon beinahe. Jedenfalls konnte Duke Ellington die von Rainer Hiby mit dem Chor erarbeitete Fassung nicht im Ohr gehabt haben, als er jenen apodiktischen Satz zur Beurteilung von Musik prägte, nachdem alles, was nicht swingt, auch nicht von Bedeutung ist. Hier zeigten Heike Stiebel und Bernd Merz, dass der Reuderner Chor in gewissen Grenzen auch auf eigene solistische Potenziale zurückzugreifen vermag.
Darauf wollte man sich allerdings im zweiten, erheblich prominenteren Teil des Konzertes nicht verlassen. Zu hoch sind denn doch die Anforderungen, die der argentinische Komponist Ariel Ramirez der Solostimme seiner „Misa Criolla“ mit auf den mittlerweile fast ein halbes Jahrhundert langen Lebensweg gegeben hatte.
Diese Messe, die der Autor der unterprivilegierten indigenen und kreolischen Bevölkerung seines Landes gewidmet hatte, gilt als das bedeutendste Werk der argentinischen Sakralmusik. Sie besteht nach der katholischen Tradition aus fünf Teilen, die vom Komponisten je einer Teilregion seines Heimatlandes zugeordnet und entsprechend rhythmisiert wurden. So meint man, im zweiten Teilstück, dem Gloria, zu Panflötenklängen den Condor zwischen Andengipfeln schweben zu sehen. Tatsächlich ist es der eindrucksvolle Sopran Tania Schneiders, der zusammen mit der Stimme von Teresa Merz solistisch durch die spanisch gesungene Liturgie führt.
Zwei Messen, die unterschiedlicher kaum sein konnten, hatten doch eines gemeinsam, dass sie die Temperamente der neuen Welt mit den Traditionen der alten zusammenbrachten und dabei am Freitagabend die Begeisterung und Freude des Glaubens zur Geltung brachten, wie sie den Bewohnern der beiden Teilkontinente zu eigen ist.
Der Nürtinger Chorleiter Rainer Hiby und seine Schützlinge vom Gospel-Chor des Reuderner Liederkranzes haben ganze Arbeit geleistet und ihrem Nürtinger Publikum einen Einblick in die religiöse Begeisterungsfähigkeit der nicht weißen Bevölkerung beider Amerikas vermitteln können. Und weil man für die Aufführung des Chores keinen Eintritt verlangt hatte, wurden die Besucher am Ende des Konzertes gebeten, mit großzügigen Spenden einen Beitrag zur Renovierung der beiden Reuderner Kirchen zu leisten.